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Der Weiße See am Fuße der Weißseespitze, der großen Berggöttin des Kaunertales in Tirol

Belinda Reinhardt

Aktualisiert: 17. Juni 2024

Die Weißseespitze im Sommer 2007

Schon öfters bin ich im Winter vom Kaunertaler Gletscherskigebiet zur Weißseespitze auf 3498m aufgestiegen. Nach 500 Höhenmetern erreicht man, zuerst leicht ansteigend dann über steile, je nach Schneelage eisige Flanken, die Hochebene des Gepatschferners.


Der Moment nach den letzten Höhenmetern der steilen Wand, wenn diese riesige weiße Fläche sich vor einem öffnet und ausbreitet, ist mir immer heilig. Vor mir liegt der Weiße See, die größte zusammenhängende Gletscherfläche Österreichs, davon hat wohl die Weißseespitze, die so gar keine Spitze hat, ihren Namen. Der Weiße See ist der weite Schoß der großen Berggöttin dieses Landschaftraumes.


Eine unerklärliche Sehnsucht überkommt mich - hier ist Stille - eine so große Stille, in der man die Ewigkeit schauen kann.


Der Gletscher war schon seit jeher ein Rückzugsort der verstorbenen Seelen und die großen Berggöttinnen haben sie beschützt. Im ewigen Eisschoß des Gletschers haben nach uralter Auffassung die Ahnenseelen und lichten Wesenheiten gewohnt und Zuflucht gesucht.

Das unendliche Weiss - es blendet und hebt sich auf unwirkliche Weise vom tiefblauen Himmel ab. Die Weißseespitze ist von hier aus gesehen ein weicher, runder Hügel der wir eine weiße Sonne aus der Gletscherfläche ragt.


Mein Blick schweift über das endlose Weiss - in der Ferne hebt sich ein kleiner Drachenhügel aus dem eisigen Faltengewand. Wie schön, wie friedlich - eine Wolke ziert dieses Lichtzentrum.


Ich verspüre den tiefen Herzensdrang dorthin zu gelangen und in einer kleinen Zeremonie dieser unglaublichen Landschaft etwas zurück zu geben.


Denn das "ewige Eis" schmilzt - es schmilzt schneller als wir Menschen es jemals vermutet hätten. Ich möchte diesen unaufhaltsamen und großen Transformationsprozess mit meinem Da-Sein und meinem Segen begleiten.

Vom Gletscher- Plateau zur Weißseespitze, von hier aus gesehen ein flacher Hügel
Der erste Blick auf den weißen See mit dem kleinen Drachenhügel in der Mitte des Bildes

Im Jahr 2023 ist es dann soweit: Die erste Sommer-Begehung steht an! Nach sorgfältiger Planung steige ich Mitte August mit meinem Lebensgefährten und einem gemeinsamen Freund zum Brandenburger Haus auf. Diese Hütte wurde in den Jahren 1905 bis 1909 erbaut und liegt in einer Höhe von 3277m umgeben von der noch größten Gletscherfläche der Ostalpen. Wie schwierig und kompliziert die Errichtung dieses Hauses in dieser Seehöhe damals gewesen sein musste, ist aus heutiger Perspektive schwer vorzustellbar. Mit großer Vorfreude und Aufregung geht es los.


Voll bepackt mit schwerem Rucksack und Gletscherausrüstung wandern wir auf einem stetig ansteigenden Pfad, der uns anfangs durch einen magischen Zirbenwald führt. Die alten Zirben wirken wie die letzten Wächter am Rande der Zivilisation und begleiten uns vertrauensvoll schützend in die höhere Bergwelt. Ihre vielen geschwungen Äste, Verwachsungen und der Kniewuchs, geben mir Aufschluss über die starken Äther- und Vitalkräfte die gerne an Landschaftsübergängen wirken.


Nach ca. 1,5 Stunden, die Waldgrenze hinter uns lassend, erreichen wir einen außergewöhnlichen Kraftplatz. Von hier aus erblicke ich den oberen Teil der rundlichen Weißseespitze und gegenüber im Osten erstmals auch ihre Gletscherzunge, die in einem kilometerlangen großen Bogen bis hierher ins Tal fließt.


Hier treffen sich drei Täler und unterhalb von mir erstreckt sich ein kleines Plateau. Aus meiner geomantischen Sicht fesselt dieser bedeutungsvolle Ort immer mehr meine Wahrnehmung und trotz der Anstrengung unseres Aufstiegs, halte ich inne und spüre hinein in dieses Landschaftjuwel, an dem sich so viele Kräfte sammeln.


Überall erblicke ich Eisenhut, eine Pflanze die in allen Kulturen und Zeiten mit verschiedenen spirituellen, mystischen und symbolischen Bedeutungen in Verbindung gebracht wurde. Sie kommt häufig in hochgelegenen Berggebieten vor und leuchtet in violetten oder blauen Farbtönen. Hier an diesem so kraftvollen Ort wirkt diese Pflanze für mich wie ein Symbol für die unglaubliche Stärke dieses Landschaftsraumes, sie ist Schutz und Transzendenz und hilft mir, meine Sinne weit in den Raum hinein zu öffnen.


Wie schön die Natur hier alles zusammenfügt! Es lässt mich ahnen, wie die große Berggöttin mit ihrem weißen Kleid hier in das Kaunertal ihre Kräfte hinausströmen lässt, um Landschaft, Tiere und Menschen mit ihren Lebenskräften zu nähren und zu versorgen.

Drei Täler treffen sich, im Bild ganz hinten rechts der Gipfel der Weißseespitze
Die Gletscherzunge des Gepatschferners, 2023

Endlich kann ich mich von dieser tief berührenden Energie lösen und wir steigen zur Gletscherzunge ab, um diese dann - über 500m aufwärts gehend - zu überqueren. Nochmals haben wir auf der gegenüberliegenden Seite Kontakt auf festem Gestein und gehen nun über einen steilen Pfad weiter aufwärts. Der Gletscher verbirgt sich hier hinter mehreren Felshügeln. Doch nun, wie aus einer anderen Welt, taucht in der Ferne das helle, gleißende Licht der großen Eisfläche zwischen den Felsen am Horizont auf. Es ergreift mich tiefe Ehrfurcht - etwas Heiliges, fern des Alltags und der Zivilisation strahlt hier in den Kosmos.

Am Gletscherrand fällt es leicht, außersinnliche Wahrnehmungen zu machen. Die hohe Energie, die sich an dieser Schwelle ausbreitet, lässt das Geistige unmittelbar auf-, und in den Körper herabströmen. Die vom Gletscher abgeschliffenen und bewegten Steine haben hier für die kommenden tausenden Jahre eine neue Heimat gefunden.


Als ich sie betrachte füllt sich mein Herz mit Liebe und Mitgefühl, für mich sind es Wesen - Wesen in einer anderen Zeitdimension, lebendig und beseelt, eingebunden in den Lauf der Natur, von Wind, Wasser, Licht und Eis geformt und schließlich hier vom Gletscher wohl erst kürzlich abgelegt als stumme Zeugen einer uns Menschen fast unerreichbar fremden Zeit.


Am Gletscherrand des weißen Sees

Vorsichtig und zögernd betrete ich das Eis. Als Dreier-Seilschaft, mit Steigeisen an unseren Bergschuhen und Eispickeln in unseren Händen, schreiten wir langsam voran. Ein unwirkliches Meer aus fein gewobenen Mustern breitet sich hier unter unseren Füßen aus, alles Schmelzwasser ergießt sich talabwärts, überall gibt es Querverbindungen, Vereinigungen, Mündungen, Trennungen. Ein glitzernder Eiswasserteppich der seinen Weg in die Auf- und Erlösung sucht. Hier findet ein spürbar mächtiger Transformationsprozess statt.


Immer wieder überqueren wir auch Gletscherspalten, die im Sommer gut sichtbar sind. Es ist ein eigenartiges Gefühl so viel Eis unter meinen Füßen zu haben. Anscheinend sei der Gletscher hier noch über 300m dick.


Tief konzentriert, fast wie in Trance setze ich jeden Schritt. Ich spüre hier ist die Grenze zur feinstofflichen Welt, der Heimat so vieler sagenumwobener Gletscherfeen und Geister. Eine atemberaubende Freiheit breitet sich in meiner Seele und meinem Herzen aus, so dass es fast schon weh tut. Mir wird klar und bewusst, dass dieses Schmelzen und Vergehen uralte Muster und Einprägungen aus der gespeicherten Struktur der Eismassen und der Matrix der Erde löst. Es erfordert großes Loslassen und starke Herzenskräfte von uns Menschen, diese zeitlose Schönheit in seiner jetzigen Form so schnell und unmittelbar gehen zu lassen. Die hilflose Traurigkeit in meinem Herzen, die sich immer wieder aus dem tiefsten Inneren breitmacht, wird vielerorts übertönt durch freudiges Sprudeln und Glucksen des Wassers, das die Geburt und den Neubeginn des Lebens ankündigt.


In der Ferne taucht wie eine riesige Trutzburg das Brandenburger Haus auf, eine Zufluchtsstätte umgeben von Gletschern, aus denen nur die Spitzen der Berge ragen.

Die Augustsonne ist intensiv und strahlt erbarmungslos auf uns und auf das Eisfeld. Erschöpft vom weiten Weg und dem schwerem Rucksack steige ich die letzten Meter auf, glücklich hier an diesem Sehnsuchtsort endlich angekommen zu sein.

Blick über das Eis von der Terrasse des Brandenburger Haus

Die Symbolkraft der Gletscher ist riesig. Ihre Unerreichbarkeit und Lage zwischen den höchsten Gipfeln galt seit Urzeiten als Sitz der großen Göttin.


Viele Sagen im Alpenraum über plötzliche Wintereinbrüche und große nicht enden wollende Kälte zeugen von einer Zeit, in der Klimaveränderungen und Vergletscherungen überraschend und abrupt eingetreten sind.


Es tauchen Namen von Städten aus Untergangs-Sagen auf wie Tannneneh, Onanä oder Dananä auf, die nicht unweit von hier unter anderen Fernern (Gletschern), wie dem Vernagtferner, liegen sollen.


Vermutet werden dort tatsächlich Almsiedlungen oder Jägerunterkünfte aus der wesentlich wärmeren Jungsteinzeit.


"Seit jeher haben die Menschen hier oben die Weiße Frau, die Göttin der Firne, Gletscher und Bergkristalle gesehen. Ihr Palast wird oft als auf oder unter dem Eis gelegen beschrieben, wo sie in einer geheimnisvoll schimmernden Welt mit ihren Priesterinnen, den Saligen Frauen, wohnt. Es sind die "Gläsernen Berge" der Sagen, die Anderswelt, in der niemand hausen kann außer der Göttin, ihren Dienerinnen und den Ahnenseelen." (Heide Göttner-Abendroth in Berggöttinnen der Alpen)


Ich steige zur Dahmannspitze auf, die sich hinter dem Brandenburger Haus erhebt. Der Gipfel befindet sich nur etwa 100 Hm oberhalb der Hütte und bietet eine imposante Aussicht über den Gepatschferner, zu Weißkugel, Similaun, Wildspitze und den anderen hohen Gipfeln der Ötztaler Alpen.


Ich gehe alleine, der Weg ist einfach, Schritt für Schritt in mich gekehrt. Dieser Berg hat eine bedeutungsvolle Lage und bildet eine Art Zentrum der ihn fast vollständig umgebenden Gletscherfläche. Die Sonne ist schon weit gegen Westen vorgerückt und ich möchte der großen Landschaftsgöttin hier oben meine Dankbarkeit zeigen.


Ein Meer aus Steinmandln begrüßt mich am Gipfel, der eine hügelige Fläche bildet.

Ich fühle mich zugleich verbunden mit der Kraft der Ur-Natur und dem kosmischen Quell des Lebens und schaue ruhig ins Land, wo sich das Eis bis zum Horizont ausbreitet. Die Sphären der Anderswelt sind wie durch ein Dimensionstor greifbar. Zusammen mit etwas Wasser und einer Vogelfeder aus dem Zirbenwald, gebe ich einen Strauß Eisenhut, den ich am Fuße der Gletscherzunge gepflückt hatte, auf einen großen Stein in eine Mulde.


Mit der Kraft meines Herzens lege ich meine Hand darauf und verbinde so das Tal weit unten, mit all den Menschen die dort wohnen, die Wiesen, die Bäume, die Landschaft mit diesem Ort hier, der so weit davon entfernt ist und an dem sich so viele Kräfte finden und ihren Ursprung bilden.


Der Wind singt immer wieder ganz leise und ich glaube den Atem der Eiskönigin zu spüren.

Der Gipfel der Dahmannspitze, mit Blick nach Westen, hinten rechts die Weißseespitze

Fotonachweis: 1. Foto von I, Kries, CC BY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2374179


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