Besuch im Atomkraftwerk (AKW) Zwentendorf am 1. Juli 2023
Zu einer Führung im AKW Zwentendorf kamen 25 Besucher, um die größte Industrieruine Österreichs zu besichtigen.
Es ist eine einzigartige Möglichkeit, ein fast fertig gebautes Atomkraftwerk mit einem Reaktor zu besichtigen und zu begehen.
Die Inbetriebnahme wurde aufgrund einer Volksabstimmung 1978 untersagt. Österreich hat seit den neunziger Jahren ein Atomsperrgesetz im Verfassungsrang.
AKWs mit einmal in Betrieb befindlichen Reaktoren können wegen der jahrtausendelangen Verstrahlung niemals besichtigt werden.
Vor dem Betreten des AKWs gibt es für alle Gäste im Besucherzentrum eine Einführung mit Erklärung der Sicherheitsvorkehrungen bei Führungen.
Es wird ein Werbefilm gezeigt, der vor der geplanten Eröffnung im Jahr 1978 in den Medien für die Inbetriebnahme des Kraftwerkes geworben hat. Schon um diesen Film zu sehen, sollte man eine Führung im AKW besuchen, denn dieses Filmdokument ist unbedingt empfehlenswert und bemerkenswert. Bei sehr vielen Aussagen in diesem Film ging ein erstauntes Raunen durch die Gruppe. Aus dem Film geht zum Beispiel hervor, dass man zu jener Zeit eine sehr naive Sicht auf diese Technik darstellen wollte. Es gab auch die Aussage, dass ein Austritt von gefährlichen Stoffen unmöglich sei. Es ist ein kurzer Ausschnitt aus einem sehr langen Filmdokument mit vielen technischen Details, die man nicht sehen kann.
Jeder Besucher wird mit einem Helm ausgestattet und schon ging die Gruppe in das komplett fensterlose Gebäude. Eine Kuriosität ist auch das absichtliche Fehlen von Toiletten im gesamten Gebäude, außer im Bürogebäude. Dies, um sich im Betrieb die permanente Kontrolle der Abwässer auf Radioaktivität zu ersparen. Etwas, was ich mir gar nicht vorstellen möchte.
Es gibt sehr viele, sehr große Bauteile, riesige Räume, unvorstellbare Abläufe werden erklärt und interessante technische Details werden besprochen.
Damals musste im Betrieb noch sehr viel von Menschen händisch gemacht werden, besonders die täglichen Kontrollen in der Nähe des Reaktors.
Für uns alle war jedoch unfassbar, dass sich dafür Personal gefunden hat und auch heute noch Personal für AKWs finden. Laut Aussagen der Führer werden diese Arbeiten zwar gut bezahlt, aber es gibt keine Gefahrenzulage!
Vieles kann man sich gar nicht vorstellen bzw. man darf sehr vieles neu überdenken.
Im Laufe der Jahre wurde der Siedewasserreaktor zum Schulungsreaktor umgebaut. Weltweit machen hunderte Techniker von der Möglichkeit Gebrauch, sich hier schulen zu lassen bzw. werden Versuche gemacht, quasi im Trockendock, ohne sich einer Gefahr auszusetzen. Dies ist eine großartige und einzigartige Möglichkeit, um sich auf viele Situationen vorzubereiten bzw. zu erproben.
Schon beim Betreten des Gebäudes befällt einen ein mulmiges Gefühl. Ein fensterloses Bauwerk mit 1,5 m dicken Betonwänden wird auch eine Wirkung auf unser Empfinden haben. Dies mag für jeden unterschiedlich sein, aber in der Gruppe wurde es immer wieder thematisiert. Für mich war es schwere und bedrohliche Energie. Auch hier gilt natürlich die Individualität der Wahrnehmung. Möglicherweise spielt es eine Rolle, wie der Einzelne zu dieser Art von Energiegewinnung steht. Nach den ca. zwei Stunden ist man sehr müde und irgendwie reizüberflutet.
Die Führung war sehr sachlich und informativ gestaltet. Man durchwandert alle Bereiche bis in den Reaktor. Bei all dieser komplizierten Technik und noch dazu vor 45 Jahren muss es eine technische Meisterleistung gewesen sein, denn es gibt noch weitere Kraftwerke dieses Typs, die noch immer mit dieser Technik laufen. Und wie es scheint, dürfte dies ohne gröbere Störfälle ablaufen.
Im AKW war laut Aussage der Führer der erste Computer im privaten Bereich. Dieser hatte damals die Größe eines großen Zimmers. In der Überwachungs- und Steuerzentrale stehen noch technische Geräte aus der Zeit als das AKW gebaut wurde. Diese Räume samt Einrichtung werden heute vielfach in Filmen und sonstigen Aufnahmen verwendet. Es ist auch noch das Telefon zu sehen, das direkt mit dem Bundeskanzleramt bzw. Dr. Bruno Kreisky verbunden war - quasi das „Rote Telefon“.
Dies war für mich wohl eine der interessantesten Exkursionen und wird mich noch sehr lange gedanklich beschäftigen. Eine der einzigartigsten Sehenswürdigkeiten in Österreich und auch fast weltweit (es gibt noch zwei weitere nicht in Betrieb gegangene AKWs auf der Welt). Ein Reaktor, der in Betrieb war ist viele Menschenleben lang verstrahlt und nicht zugängig. In diesem nicht in Betrieb gegangenen AKW ist es Jedem möglich, sich einen eigenen Überblick zu verschaffen.
Wir durften uns nach Ende dieser großartigen Erfahrung in einer nahe gelegenen Gaststätte mit köstlichen Speisen stärken und noch etwas Nachlese halten. Es war noch ein sehr netter Ausklang.
Alle bedankten sich für die Organisation dieser ganz einzigartigen Führung.
Fotos: Hannes Taibl
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