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Stephan Leiter

Vorchristliche Wurzeln der Fronleichnamsprozessionen


Fronleichnam - der Leib des Herrn


Fronleichnamsprozession

Das Fronleichnamsfest der katholischen Kirche wird am 60. Tag nach dem Ostersonntag gefeiert und fällt daher immer auf einen Donnerstag. Das Fest ist „beweglich“ und wird frühestens am 21. Mai und spätestens am 24. Juni begangen.


Der Begriff Fronleichnam stammt aus dem Mittelhochdeutschen vrône lîcham: „vrône“ bedeutet „Herr“ und „lîcham“ ist der Leib – „Der Leib des Herrn“. Fronleichnam soll die Gläubigen an die leibliche Gegenwart Christi im Brot – der geweihten Hostie - erinnern und geht zurück auf die Augustiner-Nonne Juliana von Cornillion, die im 13. Jahrhundert in Lüttich lebte. In einer Vision erschien ihr der Vollmond, dem aber ein Stück zur vollen Rundung fehlte. Sie erzählte, dass Christus selbst ihr in der Vision erklärt habe, dass der Mond für das Kirchenjahr und der fehlende Teil des Mondes für das Fehlen eines Festes zur Verehrung der Altarsakramente stehen. Daraufhin regte sie ein solches Fest bei Papst Urban IV an, der das Fest 1264 einführte.


Die Fronleichnams-Prozession


Das Besondere an Fronleichnam sind die Fronleichnamsprozessionen. Dabei wird die Monstranz (vom lat. monstrare „zeigen“), ein liturgisches Schaugerät (Ostensorium), in dem eine geweihte Hostie, das Allerheiligste, vom Priester zur Schau gestellt und unter einem Baldachin, dem Himmel, zu den vier prächtig mit Blumen geschmückten Außenaltären getragen wird. Dort wird jeweils ein Abschnitt aus den vier Evangelien vorgetragen, es werden Fürbitten gesprochen und es wird der sakramentale Segen über Orte und Fluren in alle Himmelsrichtungen erteilt.


In der Vision der Nonne versteckt sich die zyklische Weltsicht, die sich den vorchristlichen Menschen vor allem im Mond zeigte. Der zunehmende Mond stand für das Werden, der Vollmond für das Sein und der abnehmende Mond für das Vergehen. Im Schwarzmond wirkten die Kräfte der Transformation und Erneuerung, sodass der Mond als schmale weiße Mondsichel neu geboren werden konnte und der Zyklus von Neuem beginnen konnte.


Flurumgänge, Hotterbegehungen und rituelle Grenzziehung


Aber vor allem in der Fronleichnamsprozession scheinen vorchristliche Weltanschauungen durch. Sie beruhen auf dem Ritual des Flurumgangs zur rituellen Erneuerung und Weihung heiliger Grenzen. Clan- bzw. Sippengrenzen, später Dorf- oder Stadtgrenzen waren bis auf die wenigen Grenzhügel, später Grenzsteine, nicht sichtbar. Um den Bewohnern die Grenzen „bewusst“ zu machen, wurden die Grenzen einmal im Jahr von der Gemeinschaft umschritten. Dabei wurde an den vier Kardinalpunkten der Grenze, den unsichtbaren Wirkkräften Opfer mit der Bitte um Schutz, Segen und Fruchtbarkeit dargebracht. Durch das regelmäßige, rituelle Abschreiten der Grenze prägt sich die Grenze im Äther ein. Manche alte, „starke“ Grenze kann bis heute radiästhetisch gemutet werden.


Solche Flurumgänge, die Hotterbegehungen, gibt es im Burgenland bis heute. Leider ist die ursprüngliche Bedeutung weitgehend in Vergessenheit geraten. „Hotter“ stammt aus dem ungarischen und steht für „Grenze“. Die Hotterbegehung war ursprünglich eine gemeinsame Begehung der Gemeindemarkierungen, der „Hotters“. So soll es in der burgenländischen Gemeinde Sieggraben am Markustag noch bis in die 1950er Jahre Hotterumgänge gegeben haben.


Rupert Löschnauer schildert den Brauch wie folgt:

„Am Morgen des Markustages (25. April) kommen einige Gemeinderäte zusammen und machen sich auf, den Hotter zu umgehen. Sie nehmen eine Haue und eine Hacke mit. Manchmal gehen auch Schulkinder mit; auch der Feldhüter und andere Personen, die Interesse haben, sieht man im Gefolge. Hauptsächlich ist es aber eine Aufgabe der Gemeindeherren. Sie teilen sich in mehrere Gruppen auf und gehen von ausgemachten Punkten los. Bei jedem Hotterhaufen, den Hottermarken, machen sie Halt. Nun wird der Hotterhaufen mit der Haue hergerichtet und frisch aufgeworfen. Etwaige Grenzsteine werden von ihrem bemoosten Überzug gereinigt, damit das Hotterzeichen wieder sichtbar wird. Meist stecken aber in den Hottererdhügeln Pflöcke, auf denen die Jahreszahl der letzten Hotterbegehung geschrieben ist. Diese Pflöcke werden durch neue ausgewechselt, auf die man das Datum des Hotterganges schreibt. Zur Anfertigung der neuen Grenzpflöcke hat man die Hacke mitgenommen. Der Brauch des Hotterganges ist sehr alt. Durch ihn wird das genossenschaftliche Eigentumsrecht neu besiegelt.


Der Brauch des Hotterganges ist weit verbreitet, doch hat er schon viele Gepflogenheiten, die dabei üblich waren, verloren. So wurden früher größere Knaben mitgenommen, sogar Burschen, die bei jedem Grenzerdhaufen eine Ohrfeige erhielten oder am Ohr gezwickt wurden, damit sie sich als Nachkommen die Hottergrenze merken.“


In Weiden am See wurde in die Vertiefung der Hottersteine Wein geschüttet. Damit sich die jungen, schulmündigen Buben die Grenze auch gut einprägen, mussten sie den Wein aus den Vertiefungen trinken und bekamen zusätzlich von den Dorfalten einen auf das Hinterteil versetzt.


Ausg'steckt is'


Im Anschluss an die Begehung trafen sich die Beteiligten an einem vereinbarten Punkt und fertigten den sogenannten „Zoachabam“ (Zeiger- oder Zeichenbaum) an. Ein walzenförmiges Bündel aus Fichten- und Tannenreisig, das an einem entästeten Ast festgemacht und mit bunten Bändern geschmückt wurde. Nach getaner Hotterbegehung wurden solche Bündel am Gemeindegasthaus gut sichtbar angebracht, um den Bewohnern die erfolgreiche Hotterbegehung zu verkünden. Davon leitet sich der Begriff „ausgesteckt“ ab: „Die Grenze ist von Neuem ausgesteckt“. Heute wird der „Buschen“ bei den „Heurigen“ (Weinschenken) angebracht, um anzuzeigen, dass diese geöffnet haben.


Im fränkischen Henneberger Land war die „Grenzbegehung“ bis ins vorletzte Jahrhundert noch ein beliebtes Volksfest, das jährlich im Frühling stattfand. „Zu derselben, von dem Ortsvorstand ausgehend und ausgeführt, wurden die größeren Schulknaben herangezogen. Um den Grenzstein besser im Gedächtnis zu behalten, führte man die Knaben am Ohre um den Stein herum und besiegelte das Ganze mit einer tüchtigen Ohrfeige“ (Balthasar Spieß, „Volksthümliches aus dem Fränkisch-Hennebergischen“, Wien 1869, S. 120.)


Auch in Königsberg, Bayern, wird alle 20 Jahre, unter Führung der Feldgeschworenen und Märker, die ganze Flurgrenze der Kernstadt zu den Nachbargemeinden abgelaufen und es wird der Sitz der einzelnen Grenzsteine überprüft. Rund 24 Kilometer ist diese Strecke lang und sie wird an einem Tag absolviert. In früheren Jahrhunderten wiederholten sie das alle sieben Jahre. Erstmals erwähnt wurde der Brauch im Jahre 1607. Vom Marktplatz geht es hinauf zum Altershäuser Berg und dem ersten Grenzstein mit folgender Inschrift: “H - F - D - K - A - W - S - U - D - F - G - Z - L - H”. “Hier Fangen Die Königsberger An, Wenn Sie Um Die Flur Gehen, Zur Linken Hand”. Beim Umgang kommt es zum rituellen “Stauchen”: Ein Junge oder ein Mädchen wird dreimal hoch gehoben und mehr oder weniger sanft auf den Stein ”gestaucht”, anschließend werden sie dreimal am Ohr um den Stein geführt. (https://www.königsberg.de/tourismus-und-kultur/lebendige_historie/der-flurumgang)



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